100 Jahre TSV Wiepenkathen: Modern ausgerichteter Verein will eigenständig bleiben

Quelle: Mittwochsjournal vom Tageblatt Stade vom 03.04.2024
Von Dieter Albrecht

Wiepenkathen. Der Turn- und Sportverein Wiepenkathen feiert seinen 100. Geburtstag. Im Jahr 1924 gegründet, wird der Ort in der Historie als „ein kleines Bauerndorf am Rande der Stadt Stade“ erwähnt. In einem festlichen Rahmen wird das Jubiläum am 5. April mit geladenen Gästen in der Sporthalle gefeiert.

Am 5. April 1924 „hielt sportlicher Gedanke Einzug“

Auf der Gründungsveranstaltung am 5. April 1924 begrüßt der 1. Vorsitzende, Hinrich Vollmers, die Mitglieder mit den Worten: „Ich freue mich, dass auch in unser Heimatdorf der sportliche Gedanke Einzug gehalten hat.“ Vereinsmitglieder sind Bauern, Handwerker und andere sportlich interessierte Bewohner aus der Umgebung. Übungsstätte ist ein Platz auf dem Lohberg. In der Chronik heißt es dazu: „Die Sportfeste fanden auf einer Festwiese statt, auf der sportliche Wettkämpfe ausgetragen wurden und die Bewohner sich von der Vielseitigkeit des Sports einen Eindruck verschaffen konnten.“

Zehn Jahre nach der Gründung nehmen alle Aktivitäten ein abruptes Ende. Den SV Wiepenkathen trifft, wie viele andere Vereine auch, durch die politischen Veränderungen im Nationalsozialismus das Schicksal der Auflösung. Erst mehrere Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges treffen sich 33 Männer am 20. Februar 1950 in der Gaststätte „Lindenhof“ zur Neugründung, was zur Wiederbelebung des Vereinslebens führt.

Höhepunkt sind die Meisterschaften 1961 und 1962

Die Fußballer beginnen in der zweiten Kreisklasse, werden bald eine feste Größe auf Bezirksebene. Absoluter Höhepunkt sind die Meisterschaften der Jahre 1961 und 1962 in der Bezirksliga mit der Vereinsikone Kurt Schütz als langjährigem Spieler oder Spielertrainer. Auch wenn es in der anschließenden Qualifikationsrunde nicht zum Aufstieg in die Amateurliga gereicht hat, sind es für den Fußball die größten Erfolge in der Vereinsgeschichte.

Im Zuge der Gebietsreform im Jahr 1972 wird Wiepenkathen mit weiteren Randgemeinden in die Hansestadt Stade eingegliedert. Kurz zuvor verlässt der TSV seinen Fußballplatz an der Bundesstraße 74, erhält eine neue Wirkungsstätte in der Ortsmitte, dazu auch eine Flutlichtanlage. Hinzu kommen später ein Umkleidehaus und das seltene Exemplar eines auf Stelzen stehenden Sprecherturms. Aus dem Turnverein wird 1981 durch eine Namensergänzung der Turn- und Sportverein Wiepenkathen.

„Der Fußball bildet unseren Schwerpunkt mit wachsender Tendenz“, freut sich Waldemar Meglin, seit 2019 Vorsitzender des etwa 1000 Mitglieder starken Vereins. Frank Speer, verantwortlich für den Fußball, hebt das Anwachsen der Zahlen im Nachwuchsbereich hervor. Er sagt: „Wir sind sehr gut aufgestellt, wollen in den kommenden Jahren durchgängig bis zur U 19 vertreten sein, um davon im Herrenbereich profitieren zu können.“ Bis Sommer 2021 trainieren Speer und Meglin die Bezirksliga-Mannschaft, wechseln gemeinsam in den Vorstand.

Wiederaufstieg ist Ziel im Jubiläumsjahr

Den TSV erwischt dann völlig unerwartet der Abstieg in die Kreisliga. Das Vorhaben eines sofortigen Wiederaufstiegs scheitert, bleibt im Jubiläumsjahr erneut das angestrebte Ziel. Meglin hat einen großen Traum: Er wünscht sich „einen Sportplatz, auf dem wir sowohl auf dem Rasen als auch auf dem Kunstrasen Fußball spielen können“. Für den Verein eine große Herausforderung, weil etwa 300 Mitgliedern an vier Monaten im Jahr keine geeigneten Trainingsmöglichkeiten angeboten werden können, was für Meglin nicht mehr zeitgemäß ist.

Unter seiner Führung hat es Veränderungen gegeben. Die Vereinssatzung ist neu angepasst und die Vorstandsstruktur aufgebrochen worden. Der Verein schlägt einen eigenen Weg ein. Bezeichnungen wie Schriftwart, Kassenwart oder Sportwart fallen weg. Der Vorstand besteht derzeit aus sieben Männern und zwei Frauen. Meglin: „Weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind willkommen. Die Arbeit muss allen Spaß machen, sonst funktioniert das Ehrenamt nicht.“

Auch wenn der Fußball einen hohen Stellenwert einnimmt, werden die anderen Sparten keinesfalls vernachlässigt. Das gilt für das Turnen und Kunstturnen mit rund 120 Kindern. Bei den Cheerleadern sind es 60 Mädels, und aus der Leichtathletik kommen 100 Kinder dazu. Volleyball, Badminton, Yoga für Kinder und Erwachsene, Tanzen, Seniorensport sowie Rücken- und Wirbelsäulengymnastik gehören zu den vielfältigen Betätigungsmöglichkeiten. „Wir haben immer ein offenes Ohr für alle Abteilungen, konnten in den letzten Jahren fast alle Wünsche erfüllen und die Ideen der Übungsleiter auch entsprechend umsetzen“, zeigt sich Meglin mit der Weiterentwicklung im Verein zufrieden.

Vorstandssitzungen werden hybrid geführt

Die in der Sporthalle befindliche Geschäftsstelle ist an zwei Tagen in der Woche, am Mittwoch und Donnerstag, erreichbar. In der Digitalisierung hat der TSV einen großen Schritt gemacht. Vorstands- und Verwaltungsarbeit können zu Hause erledigt werden. Vorstandssitzungen werden hybrid geführt, um den zeitlichen Aufwand zu minimieren. Wichtig ist der Vereinsführung der Erhalt der Eigenständigkeit. Fusionsgedanken soll es, wie bisher, in Wiepenkathen nicht geben.

Der erst kürzlich als Vorsitzender bestätigte Waldemar Meglin gibt die Richtung vor: „Wir sind ein erfolgreicher Verein, denken positiv und gehen hoch motiviert in die Zukunft.“

 

Konrad Adenauerdie Hand geschüttelt
Ehrenvorsitzender Karl Kraake hat den Verein nachhaltig geprägt

Der Name Karl Kraake ist eng mit der Historie des TSV Wiepenkathen verbunden. Von 1973 bis 2002 hat der ehemalige Schulleiter der örtlichen Grundschule als Vorsitzender die Geschicke des Vereins geleitet und mit seiner Durchsetzungsfähigkeit maßgeblich bestimmt. Bei seinem Ausscheiden wird er zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

Auf ganz vielfältige Weise engagiert

Als Vorsitzender im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem Deutschen Roten Kreuz, Ortsverein Wiepenkathen-Haddorf, hat Karl Kraake weitere arbeitsintensive Ämter wahrgenommen. Der Heimatverein und weitere Funktionen kommen hinzu. Als verantwortlicher Reiseleiter hat er zahlreiche Fahrten organisiert und begleitet, davon 40 nach Polen.

Nach 40 Berufsjahren wird Kraake im Januar 1999 aus dem Schuldienst verabschiedet. Für seine herausragende Lebensleistung wird ihm am 25. Juni 1999 durch den Bundespräsidenten Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz verliehen. Die Ehrung nimmt Stades Landrat Gunter Armonat vor.

1933 in Elm, im ehemaligen Landkreis Bremervörde geboren, interessiert sich Kraake schon früh für den Sport. Als Autor verfasst er 22 Bücher über verschiedene Themenbereiche. In drei Büchern, auf insgesamt 450 Seiten, schildert er den Werdegang des Vereins seit der Gründung. Karl Kraake schreibt alles auf, was an wichtigen Ereignissen in und um den Verein herum passiert.

Eine seiner persönlich schönsten Erinnerungen liegt mehr als sechs Jahrzehnte zurück. Bundeskanzler Konrad Adenauer kommt auf einer Wahlkampftour durch Norddeutschland auch nach Stade. Hier möchte er den Lehrer kennenlernen, der seinen Schulkindern die Begegnung mit ihm ermöglicht hat. „Ich reichte dem Bundeskanzler meine Hand. Er sah mich schweigend an, ergriff meine Hand und schüttelte sie“, erinnert sich Kraake an diesen ganz besonderen Moment in seinem Leben.

„Lebensraum Wiepenkathen als Chance für die Zukunft“

„Ich habe mich für den Sport engagiert. Die Arbeit hat mir in meinem Leben große Freude bereitet“, sagt der 90-Jährige. „Kontakte knüpfen, neue Freunde gewinnen und den Lebensraum Wiepenkathen als Chance für die Zukunft begreifen“, schreibt er in einem seiner Bücher. Karl Kraake hat sich mit seinem großen Engagement für den Verein und die Ortschaft Wiepenkathen verdient gemacht.(da)

Karl Kraake, Jahrgang 1933, war von 1973 bis 2002 Vorsitzender des TSV Wiepenkathen, dessen geschichtliche Entwicklung er auf 450 Seiten niedergeschrieben hat. 1999 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

 

Er hat für den Verein gelebt
Kurt Schütz (†): Fleißiges Mitglied mit bescheidenem Auftreten

Unter den ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern und Helfern des TSV steht ein Name im Vordergrund: Kurt Schütz (†). Der Ehrenvorsitzende gehörte dem Verein seit der Neugründung im Jahr 1950 an, war Spieler und Spielertrainer. Seine ehrenamtliche Arbeit wurde geprägt von einer jahrzehntelangen Tätigkeit als 2. Vorsitzender.

Die neue Sportanlage lag Schütz seit ihrer Fertigstellung 1971 besonders am Herzen. Dort verbrachte er den Großteil seiner Freizeit. Stundenlang kümmerte er sich um die Pflege und war für vieles andere zuständig. Kurt Schütz stand jedem, der etwas von ihm wissen wollte, mit Rat und Tat zur Seite. Nach außen blieb er in seinem bescheidenen Auftreten gern im Hintergrund.

1999 wurde ihm die Silberne Ehrennadel des Landessportbundes Niedersachsen verliehen. Am 20. März 2021 ist Kurt Schütz im Alter von 84 Jahren verstorben. Die Erinnerung an seine Verdienste um den TSV Wiepenkathen wird bleiben.(da)

Sein Name wird beim TSV Wiepenkathen stets in bester Erinnerung bleiben: Kurt Schütz (†).

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