Am 2. Juli 1972 haben die Fußballerinnen des TSV Wiepenkathen das erste Mal gekickt. 50 Jahre später plant der Verein im Rahmen einer Jubiläumsfeier das Rückspiel. Die Protagonistinnen von damals sind heute um die 70 Jahre alt.

Rita Tiedtke (75) spielte damals im defensiven Mittelfeld. Bärbel Seba (65) verteilte hinter den Spitzen die Bälle. Herta Ladewig (70) stand im Tor. Heute sitzen die drei Fußballerinnen im Besprechungsraum der Wiepenkathener Sporthalle und schauen auf ein Stück Vereinsgeschichte zurück.

„Die Männer haben nichts dagegen“, titelte das Stader TAGEBLATT Anfang der 1970er. „Steile Piken und Angst um die Frisur“, war noch so eine despektierliche Überschrift, die die Anfänge des Frauenfußballs in Deutschland und die Vorurteile in einer Männerdomäne ganz gut beschreibt. 1955 hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Frauenfußball verboten, weil im Kampf um den Ball die weibliche Anmut verschwinde, Körper und Seele einen unweigerlichen Schaden erleiden würden und das Zurschaustellen des Körpers Schicklichkeit und Anstand verletzte. Erst 1970 hob der DFB dieses unsinnige Verbot wieder auf. Die Vorurteile hielten sich noch über Jahre. In Wiepenkathen war das anders.

„Kein Gegenwind im Verein“

Rita Tiedtke, Bärbel Seba, Herta Ladewig und ihre Sportfreundinnen aus der Leichtathletik- und der Turnsparte wollten 1972 bei der traditionellen Sportwoche des Vereins nicht tanzen oder Bodenübungen präsentieren. Sie wollten Fußball spielen. Der Verein fand das gut. Und obwohl im TSV-Vorstand bis auf die Kassenwartin nur Männer das Sagen hatten, winkten die Entscheider den Vorschlag durch. „Es gab keinen Gegenwind im Verein“, sagt Rita Tiedtke heute.

Im Gegenteil. Vorstandsmitglied Manfred Studzinski stellte sich spontan als Trainer zur Verfügung. Uwe Morawietz unterstützte ihn. 16 Frauen trainierten für ihr erstes Fußballspiel am 2. Juli 1972. Nach dem Spiel gegen den MTV Estorf entschieden die Frauen weiterzumachen. Das 0:10 motivierte sie. Es sollte die einzige zweistellige Niederlage in der Vereinsgeschichte bleiben. Der TSV Wiepenkathen schrieb mit den Fußballerinnen eine Erfolgsgeschichte.

Die erste Mädchenmannschaft dominierte den Bezirk und gewann die Niedersächsische Vizemeisterschaft. In seiner Hochzeit Ende der 1980er stellte der Verein zwei Frauen- und drei Mädchenmannschaften. Kein weiterer Verein aus dem Landkreis Stade war damals mit einer Frauenmannschaft auf Landesebene aktiv. 150 Frauen und Mädchen waren beim TSV organisiert. Bis Anfang der 1990er der Bruch kam.

Neuanfang in Wiepenkathen

Die jungen Frauen bekamen Kinder, gründeten Familien. Viel Platz für den Fußball war in der neuen Lebensplanung nicht mehr. 2016 schlief der Frauenfußball ein. 2020 bestritten die Mädchenmannschaften ihre letzten Punktspiele. Heute baut die Jugendtrainerin Alina Duchow mit kleinen Mädchen eine neue Mannschaft auf. Der TSV fängt wieder ganz von vorne an.

Und die Spielerinnen der ersten Stunde helfen beim Neuaufbau mit der Neuauflage des Estorf-Spiels. Auch Estorf schickt Frauen aus dem Kader von damals. Sie werden am 2. Juli in Wiepenkathen Gehfußball spielen. Den haben die Engländer vor elf Jahren erfunden. Keine Zweikämpfe, keine Sprints, knochen- und gelenkschonend. Aber mit Spaß-Garantie. Nichts anderes wollten die TSV-Fußballerinnen auch vor 50 Jahren.

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